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Nahe-Zeitung, 12.09.2002

Der geschasste Bundesminister wirkte wie befreit

Rudolf Scharping, Spitzenkandidat der Landes- SPD, präsentierte sich als Wahlkämpfer in Birkenfeld locker und schlagfertig

BIRKENFELD. Weitaus mehr Zuhörer als sein Vorgänger mobilisiert der zweite Ex- Verteidigungsminister, der binnen zwei Wochen in die Birkenfelder Gaststätte "Brückenschenke" kommt: Hatte der Christdemokrat Volker Rühe zum ungünstigen 17- Uhr- Termin nur 50 Zuhörer, so spricht Rudolf Scharping um 20 Uhr vor 130 Besuchern - das Nebenzimmer platzt aus allen Nähten. Im Gegensatz zu einem Dutzend Aktivisten der Jungen Union, die den SPD- Politiker auf Transparenten zur "Mallorca- Affäre" attackieren, müssen sich viele mit einem Stehplatz begnügen.

Dankbar für Solidarität

Nachdem er seine Zigarette ausgedrückt hat, gibt sich der Star der SPD-Veranstaltung ohne die Bürde eines Amts erstaunlich locker, schweift gerne in den Dialekt ab und beweist Schlagfertigkeit. An seine politischen Lehrjahre an der Nahe bei Wilhelm Dröscher erinnert der frühere Ministerpräsident, unterstreicht seine Verbundenheit zu den Kandidaten Fritz Rudolf Körper und Axel Redmer, zeigt sich dankbar für deren Solidarität in schwierigen Zeiten.

Für eine Richtungsentscheidung hält der 54- Jährige die Bundestagswahl: Rot- Grün habe die verbreitete Überzeugung widerlegt, dass sich wirtschaftlicher Erfolg und soziale Rücksichtnahme ausschließen. Zum Beispiel sei der Krankenstand nach der Rückkehr zur vollen Lohnfortzahlung der niedrigste seit vielen Jahren. Als Horror- Szenario stellt der einstige SPD-Vorsitzende die Alternative dar: "Schlechtere soziale Rechte für alle Arbeitnehmer" bei einem Regierungswechsel.

"Gleichzeitig die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen und die Steuern zu senken - kein anderes Land hat das angepackt", betont er. Dies gelang der jetzigen Bundesregierung nach seiner Ansicht "mit einigermaßen gutem Erfolg" - für die Zinsen würden "von jeder Mark nicht mehr 25, sondern nur noch 20 Pfennig" gebraucht.

Immer wieder erntet der Abonnent der Roten Laterne der politischen Sympathieskala spontanen Applaus. Wie für seine Feststellung, ein Ausländer, der das deutsche Recht ignoriere und sich auf die Scharia berufe, habe in Deutschland nichts zu suchen. Wie auch für seinen Seitenhieb auf den CDU-Wirtschaftsexperten Lothar Späth: "Revolutionär" fand der Jenoptik- Chef zunächst die Vorschläge der Hartz- Kommission - "da war er noch nicht Mitglied eines Wahlkampfteams, also noch bei klarem Verstand". Der Union wirft der gebürtige Westerwälder vor, den Spitzensteuersatz zu Lasten der Masse der Arbeitnehmer reduzieren zu wollen.

Zur Sicherheitspolitik möchte sich der geschasste Minister nicht äußern: "Das könnte mir als Nostalgie ausgelegt werden." Doch sein Konter gegen einen JU-Exponenten, der die Initiative "Soldaten für Schröder" als Verstoß gegen das Soldatengesetz anprangert, sitzt: "Wollen Sie Ihre Interpretation auch auf den Vorsitzenden des Bundeswehrverbands angewendet wissen?" Allen empfiehlt Scharping "voller Leidenschaft" die Unterstützung des Kanzlers, der ihn ausbootete. K. Schultheiß/P. Geibel

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